Merano WineFestival 2014

Erstellt von Thomas Gassner |

Italienischer Wein bleibt spannend! Mit dieser Erkenntnis konnte man rundum zufrieden auch in diesem Jahr das „Merano Wine Festval“ 2014 verlassen. Tradition und Moderne, altbewährtes und neu zu entdeckendes sorgten wieder einmal für höchst interessante Verkostungserlebnisse und reichlich Gesprächsstoff zwischen den wieder zahlreichen Besuchern und den anwesenden Winzern.

Sassicaia als Extraprogramm

Am Ende konnte man es durchaus verschmerzen, dass Highlights früherer Jahre wie San Guido (Sassicaia) und Roberto Voerzio mit seinen Kult-Barolos nicht mit von der Partie waren. Dafür gab es dann halt andere …
Wer partout nicht auf sein Sassicaia-Erlebnis verzichten wollte, hatte hierzu die Möglichkeit, exklusiv (es gab nur 250 Tickets) am Freitag für € 120 Aufpreis. Mit von der Partie bei der „CULT“ genannten Veranstaltung waren auch Giacosa, Clerico, Ornellaia und andere.

Gipfeltreffen der großen Weine Italiens im Kurhaus

Doch auch das, was im Kurhaus ab Samstag bei der originären Veranstaltung in die Gläser floss, war aller Ehren wert – und dem Eintrittspreis durchaus angemessen.
Den perfekten Abschluß bot der Montag mit den „Vecchie Annate“.
Der Vineast hat an drei Tagen wieder einiges probiert, ganz subjektiv die folgende Auswahl:

Friaul - Weintradition zwischen Bronzezeit und Donaumonarchie

Über 20 Jahre schon trinke ich Weine aus den Friaul. Vor allem Weißweine, aber nicht nur. Welche kann man lagern, welche sollte man eher schnell trinken? Das ist sehr individuell, vor allem vom Winzer abhängig. Ein tolles Beispiel für Lagerfähigkeit ist der Gris, der (Edel-) Pinot Grigio von Lis Neris. Die Jahrgänge 2007, 2010, 2011 überzeugten, am Montag dann auch der 2003er. Intensive Weine, die aber nicht über den Gaumen walzen, sondern fein bleiben und einen angenehmen Alterston entwickeln. Die Frucht wird runder, die Säure zurückhaltender. Und: sehr gekonnter, ganz dezenter Barriqueeinsatz.

Lange lehnte ich die Weine von La Tunella als zu kommerziell ab. Der Sauvignon Col Matis aus 2013 entfachte am Gaumen ein irres Spektakel aus Frische und Körper und eines der eindrucksvollsten Weißwein- Erlebnisse.
Friulano 2012 Schiopetto überzeugte: ,einfach ein Klassiker' ! Brilliante Farbe, Fülle und Frische am Gaumen. Etwas anstrengender, der 2011er Friulano von Bastianich, genannt „Plus“. Das jüngst modernisierte Weingut südlich von Cividale kann es besser, wie ein Ribolla Gialla im Sommer bei der Gran Malabar in Triest zeigte.
Natürlich ist dieses Weingebiet auch historisch interessant. Seit den Römern, wahrscheinlich auch schon früher, in der Bronzezeit, wird hier Wein angebaut. Der „Ponca“-Boden, Sandstein, Mergel, Lehm und Kalk in unterschiedlicher Zusammensetzung ist geradezu prädestiniert für den Weinbau. Während der Zeit der Donaumonarchie war das Friaul österreichisch, Winzer aus anderen Landesteilen, wie der im Burgenland arbeitende Slowene Anton Jerman kamen 1881 hierher.

Auch heute ist Jermann weiter vorne mit dabei. Sehr gelungen der 2013er Vinnae (hauptsächlich Ribolla Gialla mit etwas Riesling und Friulano). 2012 Vintage Tunina war zu jung, das gewaltige Potenzial dieses Meditationsweins schlechthin zeigte am Montag der 2002er. Ein interessanter Rotwein der 2008er Pingacolusse aus der autochtonen Pignolotraube. Offene, fruchtige Nase, aber viel Tannin am Gaumen.
Die Kunst des Umgangs mit dem Barrique bei Weißweinen demonstriert – zumindest in Italien kaum einer so eindrucksvoll wie Gianfranco Gallo auf Vie di Romans. Ein Gedicht von einem 2012er Chardonnay – so eine Art Meursault 1er cru „light“. Die Sauvignons werden aus den Lagen „Vieris“ und „Piere“ ausgebaut. Ersterer, beide auch aus 2012, hatte leicht die Nase vorn. Das kann an den etwas unterschiedlichen Terroirs liegen. Beide wachsen auf gut durchlässigem Kies- und Kieselboden, jedoch ist bei ersterem mehr Eisen und Aluminium enthaltender Sand, was dem Wein einen höheren mineralischen Kick verleiht. Auch hier ist Alterungspotenzial vorhanden, aber Vorsicht, nicht zu lange warten. Dem 1992er Piere am Montag half auch sein Großformat (Doppelmagnum) nicht mehr viel. Schade.

Einmal nicht Toskana oder Piemont: Umbrien, Marken, Molise

Italien besteht für viele Weinliebhaber vorwiegend aus der Toskana und dem Piemont, vielleicht im Sommer mal ein Lugana. Entsprechend groß war dort auch der Publikumsandrang. Viel ruhiger war es hier und qualitativ trotzdem spannend:
Im Sissi-Saal waren die umbrischen Platzhirsche Arnaldo Caprai aus Montefalco und Lungarotti aus Torgiano. Dessen überwiegend aus Sangiovese bestehender Paradewein Rubesco Riserva Vigna Monticchio wurde vom Vineasten aus den Jahren 2004, 2005 und 2008 probiert und beeindruckte mit seinem Reifepotenzial. Große Harmonie und Struktur. Der am Montag probierte 1997er dürfte jetzt seinen Höhepunkt erreicht haben. Der Collepiano von Caprai besteht aus der Sagrantino-Traube. Der 2009er fällt etwas weicher aus als die Lungarotti-Weine, ist aber trotzdem ungemein konzentriert.
Beide sind große, edle Rotweine aus Italien, was man nicht übersehen sollte.
Einen ganz interessanten Weißwein namens Stella Flora macht in den Marken das Weingut Maria Pia Castelli, bestehend aus Pecorino, Passerina, Trebbiano e Malvasia, strukturiert und facettenreich, gekonnt im Barrique ausgebaut. Hier vermochten die jüngeren Jahrgänge 2010- 2012 mehr zu überzeugen als 2008 und 2006, bei welchen sich doch etwas störend Alterungsoxidation bemerkbar machte.
Erwähnenswert ist auch Claudio Cipressi aus dem Gebiet Molise. Der sympathische Winzer präsentierte seinen weißen 2013er Voira terre degli Osci aus der Falanghina-Traube, die sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Hier steigt würzige Frische aus dem Glas, am Gaumen viel Zitrusnoten. Der rote 2011er Decimo (Montepulciano-Traube). Rotfruchtig, entschieden herb, ohne spröde zu sein, geradlinig - so wünscht man sich seinen Wein zur Pasta und auch mehr.

Sizilien - Weininsel der Griechen, Kornkammer der Römer - und heute?

Gulfi aus Sizilien ist vielleicht kein Geheimtip mehr.
Auf dieser berühmten Insel gab es schon vor den Griechen, die sich hier um 800 v. Chr.ansiedelten und offenbar eine damals fortschrittliche Technik mitbrachten, Weinbau. Die Römer dämmten dann den Weinbau etwas ein und macht Sizilien zur „Kornkammer Itraliens“, auch wenn Plinius d. Ä. u.a. Weine aus der Gegend von Syracus beschreibt.
Auf diesem Weingut entstehen aber Nero d’Avolas, bei welchen sich Tradition und moderne Kellertechnik wunderbar vereinen. Vorgestellt wurde u.a. der Nerobuffalefj, nach einer Einzelllage bei Siracusa benannt. Der Jahrgang 2009 saftig, trotzdem schön auf Himbeere und etwas Kirsche fokussiert. Tolle Länge: Strahlt Wärme aus, aber keine überhitzte Aromatik, obwohl der Wein geografisch gesehen südlich von Tunis wächst. Etwas eleganter, mineralischer, vielleicht auch schon reifer der 2006er.
Recht weit weg vom Mainstream bewegt sich Contra Soarda aus Bassano del Grappa im nördlichen Venetien. Wer meint, dass er schon alles kennt, wird hier eines besseren belehrt. 7 verschiedene Rebsorten finden sich im „Rosso“ Jahrgang 2010 wieder, tatsächlich meint man, jeder Schluck schmeckt anders, was für ein wilder, verwegener Wein! Nicht minder individuell der weiße 2012er Vespaiolo. v.a. Limone, weich, schöner Frucht-Säurebogen.

Ein paar Highlights aus der Toskana

2004 Brunello Cerretalto von Casanova di Neri, monumental. 2011: Testamatta von Bibi Graetz (fast schwarze Farbe, gewaltige Länge und brilliant weiches Tannin), Ornellaia (Eleganz und Kraft in einem ) , Paleo von Le Macchiole (Cremige Würze von 100 % Cabernet franc). 2010 San Lorenzo Gran Selezione Chiantio Classico von Ama (was für eine Harmonie von Sangiovese-Säure und Frucht aus r Lesegut), 2009 Lupicaia von Terriccio (schwarzfruchtig, fleischig, lang).

Der Norden - Piemont bis Südtirol

Piemont brillierte mit 2000 Barolo Rüncot von Elio Grasso (nur am Montag zu verkosten). Prunotto wartete mit einem noch erstaunlich vitalen, köstlichen Barolo 1989 auf. Bei den 2010er Baroli zeigte der Sori Ginestra von Conterno Fantino die Größe des Jahrgangs. Die macht vor allem die schier unglaubliche Dichte der Frucht und wie das mit dem Tannin verwoben ist aus, was der Brunate von Ceretto beindruckend demonstrierte. Der 2006er Brunate braucht sich aber nicht zu verstecken, was für diesen Jahrgang generell gelten dürfte. Ganz oben dabei sicher auch der Barbaresco Albesani Santo Stefano und der Barolo Falletto, jeweils 2011 von Bruno Giacosa. Der absolute Weingipfel dann am Montag 2004 Barolo Rocche del Falletto Riserva. Bei den „New Entries“ gefiel vor allem 2008 Barolo Fossati Riserva vom Weingut Dosio.
Auch für die Freunde Südtiroler Weine gab es es traditionell ein riesiges Angebot, insgesamt waren Betriebe aus allen nennenswerten italienischen Weinregionen vertreten.

Bordeaux

Die Union de Grand Crus ist wie immer ein Highlight, auch wenn die Anzahl der anwesenden Chateaus seit Jahren leicht rückläufig ist. Hervorzuheben sind
Schöne 2012er von der Domaine de Chevalier, Clinet, Giscours.
St. Emilion: 2009 Berliquet, dann 2006 Pavie macquin etwas vor Larcis Ducasse.
Der Star war 2003 Lynch Bages noch vor 2000 Leoville Poyferre, weil er mit einer aromatischen Feinheit bei vollem Körper und schöner Struktur überraschte, die man diesem Hitzejahr nicht zugetraut hätte. Der Poyferre ist mächtig strukturiert aber geizte etwas mit aromatischen Reizen. Da ist Geduld gefragt.
Schöne Sauternes v.a. 2001 de Fargues. Mehr Säure als italienische Süßweine, z.B. 2011 I Capitelli von Anselmi. Deutlich schmeckbar trotz 10 Jahren Unterschied. Der de Fargues ein Wein für die Ewigkeit, der Capitelli für jetzt und heute auch wunderschön. Ein Top-Moscato aus dem Piemont ist der 2003er Crivella von Marco Bianco.
2015 wird das Festival wieder am gleichen Wochenende, diesmal vom 7. bis 9. November stattfinden. Es wird sicher wieder vineastisch !

von Thomas Gaßner

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