Meran und das Merano Winefestival

Erstellt von Prof. Dr. Andreas Otto Weber |

Gipfeltreffen der großen Weine

Seit 1992 findet in Meran in Südtirol ein außergewöhnlich interessantes Weinfestival statt. Hier kann man an vier Tagen die ganze Vielfalt großer Weine aus Italien, aber auch aus Frankreich und anderen Weinbaunationen Europas und der ganzen Welt kennenlernen.

Meran - Genius loci für Genuss und Dolce Vita

Meran – eine alte Stadt in den Bergen und ein seinerzeit legendärer Kurort zieht bis heute Menschen an, denen der Genuss wichtig ist. Der Reiz des Ortes wird von mehreren Faktoren bestimmt: Die relativ tiefe Lage im Kessel des Etschtales und doch die unmittelbare Nähe der Hochalpen sind charakteristisch. Meran hat ein einzigartiges Klima für eine Alpenstadt, weshalb sie auch eine Stadt der Gärten und Parks ist. Die spektakuläre Schlucht der Passer mit Wasserfall und Klamm sind über die Kurpromenade erschlossen, so dass es hier ein Naturspektakel mitten in der Stadt gibt.

Das alte Zentrum mit der gotischen Pfarrkirche, der Stadtburg der Tiroler Landesfürsten und vor allem der beeindruckend langen Laubengasse bieten das Ambiente einer historisch-gewachsenen Stadt. Gleich nebenan an der Passer beginnt der Kurort Meran mit dem mondänen Kurhaus, der neuen Therme und vielen Luxushotels aus der Belle Époque oder modernen Designhotels und zieht sich weit hinauf auf die Hänge von Dorf Tirol, Obermais bis Schenna.

Meran bietet auch kulinarisch viel. Sieben Restaurants werden derzeit vom Gault-Millau mit einer oder zwei Hauben bewertet, eines davon mit einem Michelin-Stern; im Umkreis von 20 km finden sich weitere fünf Sternerestaurants. Aber auch außerhalb der Sterne- und Haubenwelt kann man es sich kulinarisch sehr gut gehen lassen.

Meran hat Flair: hier mischt sich Südtiroler Gediegenheit mit italienischer Eleganz zu einem ganz besonderen, lässigen Chic.

Über das Merano WineFestival

Der Meraner Helmuth Köcher begann nach einer offenbar Augen und Mund öffnenden Bordeauxreise im Jahr 1989, in Südtiroler Restaurants Weinproben zu organisieren. 1992 gründete er mit zwei Freunden den GourmetClub Südtirol und organisierte das erste Merano WineFestival. Dabei handelt es sich heute eigentlich um eine riesige Weinprobe, weniger um eine Weinmesse. Was unterscheidet dieses Festival von den großen Weinmessen, wie der Vinitaly in Verona, oder Verkaufsmessen für den Endverbraucher?

Von Anfang an bestimmte nicht die Anmeldung der teilnehmenden Weinerzeuger das Angebot, sondern die Auswahl durch ein Gremium von weinbegeisterten Testern.

Für Meran muss man also nominiert werden. Das Ziel war offensichtlich, dass sich hier nur die besten Weingüter präsentieren können, und nicht die, die sich einen Messestand leisten können und wollen.

Heute suchen neun Verkostungskommissionen die besten Weine von mehr als 300 Weingütern aus Italien und von über 120 Winzern aus Europa und Übersee aus.

Den großen Rahmen für das Weinfestival bietet das Meraner Kurhaus mit seinen eleganten Sälen, die dem Besucher das Flair der Belle Époque suggerieren: Die großen Weine Italiens und der Welt von heute im Ambiente von Glanz und Gloria.

Was wird geboten?

 Vier Tage lang wird Meran jedes Jahr Anfang November zu einem aufregenden Zentrum für Weingenießer, Journalisten und auch für Weinhändler, denn auf kaum einer anderen Messe hat man den Vorteil einer qualifizierten Vorauswahl. Natürlich geht das nur mit Beschränkung und manches interessante muss ausgeblendet werden. Für einen Eintrittspreis von 85€ pro Tag hat man dann die Möglichkeit, von 10 Uhr vormittags bis 18 Uhr ein nahezu unendliches Degustationsprogramm von Sizilen bis Südtirol und von Bordeaux bis Übersee auf sehr hohem önologischen Niveau zu absolvieren. Dabei kann man entweder dem Zufall die Leitung überlassen und planlos entdecken, oder man versucht schon vorher gewisse Ziele zu setzen, denn alles kann man nie probieren.

Bio&Dynamica als Auftakt

 Am Freitag (9. November 2012) begann das Festival mit der seit 2005 bestehenden bio&dynamica, einer Präsentationsmöglichkeit, die nur den Erzeugern von natürlichen, biologischen, bzw. biodynamischen Weinen vorbehalten ist. 53 Bio-Weinbaubetriebe aus allen Regionen Italiens und fünf aus anderen Ländern (Frankreich, Österreich und Slowenien) präsentierten hier je zwei bis drei ausgewählte Weine. Namen wie Loacker aus Südtirol, Punset im Piemont, Fontodi in der Toscana (Flaccianello 2009), Domaine Ostertag aus dem Elsass oder der Mantlerhof aus dem Kremstal in Niederösterreich waren hier vertreten.

Das Hauptprogramm

Der Samstag ist traditionell der Tag, an dem hier am meisten los ist. Das Publikum stammt vor allem aus Italien, man reist bis aus Kalabrien hier an, um große Weine kennen zu lernen. Aber auch aus Österreich und Deutschland kommen zahlreiche weinaffine Besucher. Was wird ihnen geboten?

Die große Bühne: Der Kursaal

 Das Epizentrum der Großweinprobe ist der große Kursaal mit seinem mit Deckengemälden geschmückten Gewölbe, eleganten Säulen, drei Balkonen und einer erhöhten Bühne. Betritt man den Saal vom Foyer aus, wird man gleich spritzig empfangen: Die Spumante-Erzeuger aus Norditalien haben hier ihre Bühne.

Den Hauptteil des Saales teilen sich Winzer aus dem Piemont mit denen aus Friaul, Südtirol und Trentino. Auf den Balkonen blickt man mit Weinen aus dem Friaul und der Toskana auf das lebhafte Degustieren im Saal herab. Fast alle großen Namen sind hier vertreten: Die berühmten Barolo- und Barbaresco-Erzeuger ebenso wie legendäre toskanische Erzeuger wie Montevertine.

Quanti Parker-Punti?

 Die Toskana ist neben dem Piemont einer der Schwerpunkte des Festivals. Während das Piemont sich insgesamt als traditionsbewusstes und den seit Jahrhunderten hier angebauten Rebsorten treues Weinbaugebiet darstellt, zeigt die Weinauswahl bei den toskanischen Winzern deutlich die Folgen der Super-Tuscan-Welle. Unter den vielen toskanischen Weinen ist die Zahl der Weine mit Bordeaux-Cuvées auffallend hoch. Bei allen Unterschieden von Jahrgang zu Jahrgang und von Gegend zu Gegend ist hier ein Trend zum Gleichen spürbar. Extreme mineralische Dichte, konzentrierte Frucht und sehr hoher Alkoholgehalt sind oft die Gemeinsamkeit dieser Weine, deren Geschmacksbild von den noten- und somit tonangebenden Testern der großen Weinwelt beeinflusst wird. Mit der Frage „quanti Parker-Punti?“(so die klassische Eingangsfrage einer österreichischen Journalistin) kann man diese Winzer nicht in Verlegenheit bringen, denn hier ist alles auf Parker-Erfolg getrimmt. Da wundert es nicht mehr, wenn man unter den toskanischen Teilnehmern nur noch relativ wenige antrifft, die sich den traditionellen Rebsorten Sangiovese und Canaiolo widmen.

Union des Grands Crus de Bordeaux

Für die Fans der ganz großen Weine neben Piemont und Toskana ist der Besuch in Meran aber vor allem wegen der enormen Präsenz von führenden Bordeaux-Chateaux lohnend: Im Pavillon des Fleurs präsentieren 26 herausragende Betriebe Grand-Cru-Weine aus unterschiedlichsten Jahrgängen. In diesem Saal herrscht natürlich großer Andrang, so dass am Samstagnachmittag schon manches Großes (wie Chateau Angelus oder Chateau de Fargues) bereits ausgetrunken war. Aber man konnte ja am Sonntagvormittag wieder kommen ...

Die ganz große Vielfalt und Defizite

In den weiteren Sälen des Kurhauses kann man sich dann durch die vielen Regionen Italiens bis ganz in den Süden und durch den Rest der großen Weinwelt durchprobieren. Bemerkenswert ist hierbei das große Angebot an Champagner von zum Teil nahezu unbekannten Erzeugern. Auch Burgund ist mit klingenden Namen wie Prosper Maufoux vertreten. Deutsche Weine sind hier aber eher Paradiesvögel: Zwei Moselwinzer und ein junger Pfälzer Betrieb sind die einzigen Vertreter. Angesichts der seit Jahren von deutschen Winzern erzielten internationalen Auszeichnungen, besteht hier großer Nachholbedarf für das Festival, der im nächsten Jahr schon spürbar sein sollte.

Das Gourmetzelt - Culinaria

Natürlich kann man tagelange Weinproben auch bei ständigem Ausspucken nur durchstehen, wenn es auch etwas zu essen gibt. Und hier schöpft das Festival aus dem Füllhorn der unendlichen kulinarischen Vielfalt der Regionen Italiens. Kostproben der Köstlichkeiten der besten Erzeuger: Olivenöl, Trüffel, Speck, Salami, Culatello, Parmesan in fünf Altersstufen, Antipasti, Nudeln, Saucen und Crostinicremes, Panettone, Dolci, Espresso und vieles andere kann man wie bei einem großen Buffet verkosten und sich dadurch für die nächste Degustationsrunde stärken. Dafür wurde an der Rückseite des Kurhauses ein riesiges Zelt aufgebaut. Darüberhinaus präsentieren sich hier auch noch handwerkliche Kleinbrauereien und eine Showküche bietet Einblick in aktuelle Küchentrends Italiens.

Am Abend

Um 18 Uhr ist dann aber Schluss mit dem Degustieren und Naschen. Nun braucht jeder eine handfeste Stärkung. Gleich gegenüber dem Eingang zum Kurhaus liegt dafür eine der geeignetsten Adressen: Das Forsterbräu ist das Brauereirestaurant der größten Brauerei Südtirols in Meran. Es hat die sachliche Architektur der 50er Jahre bewahrt, wurde aber vor wenigen Jahren innen durch neue Lampen und stoffbezogene Sitzbänke etwas eleganter gemacht. Man merkt sofort, dass hier der  Treffpunkt der Meraner ist. Die Küche ist frisch, die Karte kurz, aktuell und regional und es fehlt auch nicht an guten Weinen.

Ein Fazit

Das Merano WeinFestival ist für mich die wichtigste Möglichkeit, die Vielfalt italienischer Spitzenweinerzeugung an wenigen Tagen intensiv zu erfahren und Winzer kennen zu lernen. Immer wieder kann man Neuentdeckungen machen, genauso wie man große und legendäre Weine, die man nur selten selbst im Keller hat, verkosten kann. Die Internationalität ist ebenfalls ein großer Vorteil, doch sie kann den Rahmen auch irgendwann sprengen. Zur Entwicklung dieses großartigen Festivals gehört sie aber untrennbar dazu. Meiner Meinung nach wäre bei der Auswahl der Weine wünschenswert, dass die autochthonen, regionalen Rebsorten und Weintypen verstärkt in den Fokus genommen werden. Sie sind das önologische Kulturerbe Italiens und Europas.

Ein Erfahrungsbericht von Andreas Otto Weber

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